Als sich in Westeuropa das Frankenreich ausbreitete, und unter dem Hausmeier Karl Martell im 8. Jhd. erste diplomatische Beziehungen mit dem Papst aufgenommen worden, begann sich die Kirche rasch und durch Unterstützung der fränkischen Könige im Frankenreich auszubreiten. Dies konnte nur mittels einer einheitlichen Sprache funktionieren, weshalb man nun wieder auf das Latein zurückgriff. Zu diesem Zeitpunkt war aufgrund des starken byzantinischen Einfluses das Griechische selbst in der Römischen Kirche vorherrschend.
Von Pippin III, der Jüngere genannt, ist die Episode überliefert, daß er die Römische Liturgie in seinem Reich fördern wollte und deshalb Papst Paul I. um 760 nach Textbüchern fragte. Die klägliche Ausbeute dieses Gesuchs förderte ganze Sieben Bücher zutage: Vier waren in Griechisch und nur drei in Latein. Karl der Große, ab 800 Römischer Kaiser, der selbst ein wenig Latein, aber überhaupt kein Griechisch konnte, machte Latein zur Verwaltungssprache seines Reiches. Das heißt, Latein blieb gesprochene Sprache der Verwaltung, Politik, Kirche und Wissenschaften, obwohl seit etwa 800 Latein als Muttersprache quasi aufgehört hat, zu existieren. Das karolingische Einheitslatein orientierte sich stark an der Sprache antiker Klassiker, wie Ovid oder Sallust und ist ein Ergebnis einer Correctio, eines Erneuerungs- und Reinigungsprozesses.
Zu den bedeutendsten Vertretern dieser frühen Epoche zählten Notker Balbulus und Hrabanus Maurus. Karl der Große bediente sich vor allem den kirchlichen Institutionen, in dem er insbesondere die Benediktinerabteien seines Reiches für seine Bilungsoffensive einsetzte. In einem an kirchliche Verwaltungseinheiten gerichteten Schreiben bemerkt er wütend: „Wir haben in der letzten Zeit Briefe bekommen, die uns aus den verschiedensten Klöstern erreichten. Sie waren in der Regel inhaltlich richtig, aber in einer mangelhaften Sprache abgefasst. Was dem Schreiber der fromme Sinn eingab, konnte er nur in einem groben Stil und mit vielen Fehlern ausdrücken, weil ihm die Bildung fehlte“.
In den Schreibstuben der Mönche wurden fortan eifrig die Werke der Kirchenväter aber auch nicht-christliche Lateinische Profanliteratur abgeschrieben. Auch Karl der Große, ein eifriger Christ, las zwar die langweiligen Werke der Kirchenväter aus Pflichbewußtsein, aber auch Vergil, Horaz und Ovid aus einer Art verbotenem, heimlichen Lesevergnügen. Neun von Zehn antiken Handschriften, die heute erhalten sind, verdanken wir der Abschreibetätigkeit jener Zeit. Allein 8000 Handschriften lassen sich in dieser Epoche einordnen, die deshalb auch Karolingische Renaissance genannnt wird. Auch an der Aachener Hofakademie entstanden unter Karl dem Großen wichtige Werke, wie z.B. eine Lateinische Grammatik, die von dem Langobardischen Gelehrten Paulus Diaconnus verfasst wurde.
Nach dem Tod Karls des Großen sah es zunächst so aus, daß Europa wieder in einen Dämmerzustand fallen würde. Die Kaiser jener Zeit waren keine großen Vorbilder: Der Sachsenkaiser Otto I. versuchte im 10. Jhd. mühsam erst im hohen Alter schreiben zu lernen, der Salierkaiser Konrad II., 11. Jhd. versuchte es erst gar nicht. Dafür brachte das 10. Jhd. mit Hrotsvith von Gandersheim eine Autorin hervor, die als erste Dramen auf Latein verfasste und damit die Lateinische Kultur in Deutschland weiterentwickelte.
Im 12. Jhd. gelangte Archipoeta als Lateinischer Dichter zu Rum und Ehren. Zur gleichen Zeit machte die Äbtissin Hildegard von Bingen auf sich aufmerksam, die ebenfalls ihre Werke in Latein verfasste, darin allerdings – was das sprachliche betrifft – weitaus weniger brillieren konnte als etwa Hrotsvith von Gandersheim, da es ihr an Schulbildung mangelte. Der humanistische Kritiker Langius äußerte sich im 18. Jhd. sogar abfällig über die Werke der großen Mystikerin, die von sich behauptete, Ihre Schriften seien ihr direkt von Gott gegeben worden: „Es grenze an Blasphemie, diese Sprache dem heiligen Geist zuzuschreiben“. Sie selbst war sich ihres mangelhaften Lateins jedoch durchaus bewußt und hatte sich selbst bescheiden als femina indocta (ungelehrte Frau), paupercula feminea forma (armselige Gestalt einer Frau) oder als simplex homo (als einfältigen Menschen) bezeichnet. Aus dem 13. Jhd. stammt die „Carmina Burana“ (zu Deutsch: „Lieder aus Benediktbeuren“), eine im 20. Jhd. von Carl Orff vertonte mittellateinische Lieder- und Gedichtsammlung. Die Zeile: „O fortuna, velut luna statu variabilis, semper crescis aut decrescis, vita detestabilis“ („O Glück/Schicksal, wie der Mond von wechselhafter Gestalt nimmst du immer ab oder zu, abscheuliches Leben“) erlangte in den Jahren 1991 und 1992 große Popularität: Als Untermalung eines TV-Werbespots für die Nestlé-Tafelschokolade: „Chocoladen Nestlé“, die freilich im Sortiment nicht überlebt hat – ein schönes Beispiel für den Spruch: „Vita brevis, ars longa“ (Das Leben ist kurz, die Kunst ist lang).
In der zweiten Hälfte des 13. Jhd. nimmt die Zahl der wissenschaflichen Publikationen stark zu, auch diese wurden bis weit ins 18. Jhd hinein überwiegend in Latein verfasst. Als letzter mittellateinischer Autor gilt der Philosoph Thomas von Aquin, der 1274 starb. Die Zahl der mittellateinischen Literatur übertrifft die lateinische Literatur der Antike übrigens um das Fünfzigfache!
Eine gewisse Aktualität der angeblich „toten Sprache“ ist aufgrund der Bildungsreform Karls des Großen heute noch auf dem Bildungs- und Wissenschaftssektor zu vorzufinden. Sie lebt als aktiv gesprochene Studentensprache in spezifischen Ausdrücken weiter, wenn man sich, so man denn den „numerus clausus“ geschafft hat, sich auf dem „Campus“ aufhält, und dort eine „Klausur“ schreibt, die s.t. – „sine tempore“ begonnen hat, während die Vorlesungen im „Auditorium Maximum“ c.t. – „cum tempore“ beginnen und man hofft, irgendwann mit „magna cum laude“ oder sogar „summa cum laude“ zu bestehen.