Du hast Dich entschlossen, Deine Lateinkenntnisse zu verbessern oder überhaupt von Grund an zu erwerben? Gratulation!
Den ersten Schritt hast Du damit schon in die richtige Richtung getan. Warum solltest Du gerade Latein in der Academia Linguae lernen, und was bedeutet das eigentlich? Übersetzt heißt der Name „Sprachakademie“, aber wir hätten uns ja auch einfach „Sprachschule“ nennen können, oder „Lateinkurs“ – aber dann würden wir gleich von Beginn an den Fehler machen, an dem viele Deiner Kommilitonen letztendlich scheitern. Unser Lernansatz beginnt bereits bei der Motivation. Warum willst Du Latein lernen? Weil Du mußt? Sicher geht es Dir da wie vielen Deiner Kommilitonen, die ohne „Lateinkenntnisse“ – oder sogar das „Latinum“ – nicht zur Zwischenprüfung zugelassen werden. Also geht letztendlich kein Weg am Lateinkurs vorbei. Aber sind wir als Studenten, die ihr Fach frei gewählt haben, nicht auch privilegiert und als solche Idealen verpflichtet? Warum studieren wir eigentlich? Weil wir an einem guten Job, an einem hohen Gehalt, an Prestige interessiert sind? Bildung war in der Vergangenheit keinesfalls eine Selbstverständlichkeit. Sie mußte sich erkämpft, ja erstritten werden. Die Akademiker haben sich stets als Elite verstanden, eine Elite, die hohen und ehrenhaften Zielen verpflichtet ist. Klingt schwülstig? Das klingt es immer, wenn man solche „Sprüche“ nicht untermauern, nicht empirisch belegen kann. Deshalb folgen nun die historischen Fakten. Willkommen zu einer kleinen Zeitreise in die über 2.400 Jahre Geschichte der Akademie und des Akademiegedankens:
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Die Platonische Akademie
Platon war sauer. Und das war wohl auch mehr als verständlich. Wenn es heutzutage viele gibt, die auf ihre Regierung schlecht zu sprechen sind, so sollte man nicht unbedingt davon ausgehen, daß es früher anders war. Im Gegenteil: Sein heimatlicher Stadtstaat Athen hatte in dem brutal geführten Peloponnesischen Krieg gegen Sparta Finanzreserven, Macht und Soldaten verheizt und der darauf einsetzende wirtschaftliche Niedergang brachte soziale Spannungen und verheerende Epidemien über die Stadt. Selbst als sein eigener Bruder im Jahr 404 v. Chr. Mitglied der athenischen Regierung wurde, wurde Platon von ihm schwer enttäuscht, da dieser und seine Clique eine brutale Schreckensherrschaft errichtete, die mindestens 1500 Athenern das Leben gekostet hatte. Als die „Gruppe der Dreißig“, zu der Platons Bruder gehörte, sogar seinen besten Freund Sokrates im Jahr 399 v. Chr. wegen „Verderbung der Jugend“ zum Tode verurteilte, war für Platon endgültig das Maß voll. In seinen Überlegungen, wie eine Polis (griechicher Stadtstaat) gerecht geleitet werden könne, kam er zu folgendem Schluß: „Wenn nicht entweder die Philosophen Könige werden […] oder die, die man heute Könige nennt, echte und gründliche Philosophen werden, und wenn dies nicht in eines zusammenfällt: die Macht in der Stadt und die Philosophie […] so wird es mit dem Elend kein Ende haben“ So schreibt er es in seinem Werk „Politeia“ („Der Staat“) nieder. (Ein Philosoph (griech: φιλόσοφος, philósophos) ist übrigens wörtlich übersetzt, der „Freund der Weisheit“). Nach weiteren enttäuschenden Erfahrungen, die er u.a. am Hofe des Despoten Dionysios gemacht hatte, fasste Platon den Entschluß, nun selbst Einfluß auf die Bildung zu nehmen, um jene Philosophen zu formen, die die Gesellschaft im positiven Sinne gestalten und mitbestimmen sollten. Einen geeigneten Ort fand er 2 km nordwestlich der Athener Akropolis in einer Parkanlage namens „Akademeia“ (ακαδεμεια). Dort stand bereits eine traditionelle Bildungseinrichtung, das Gymnasion, in dem die Athener Jugendlichen der Oberschicht in den Elementarfächern Grammatik, Sport und Musik unterrichtet wurden. Dieses Gymnasion baute Platon weiter aus. Als „Platonische Akademie“ wurde diese Bildungsstätte über Jahrhunderte weltberühmt. Die Schüler und Absolventen dieser Akademie, einer der ersten berühmten Schüler war übrigens Aristoteles, nannten sich fortan Akademiker (ακαδεμαικοι, Akademaikoí). Wichtigstes Merkmal der platonischen Akademiker war das gemeinsame Forschen und Lehrern inmitten einer Gruppe von mehreren Lehrern und Schülern. Erst im Jahre 88 v. Chr. wurde der Lehrbetrieb nach Zerstörung durch den römischen Konsul Sulla eingestellt.
2. Die Neuplatonische Akademie
Plutarch von Athen gelang im Jahre 410 die Neugründung der Akademie und der Unterichtsbetrieb wurde wieder aufgenommen. Doch inzwischen hatten sich die Zeiten geändert. Das antike Griechenland war ebenso bereits Geschichte wie das Römische Imperium, aus dessen östlichen Überresten sich inzwischen das Byzantinische Reich formiert hatte. Vor allem aber hatte sich das Christentum von der verfolgten Sekte bis hoch zur Staatsreligion durchsetzen können, und die starre christliche Dogmenlehre war es, die den Neuplatonikern zunehmend Kopfschmerzen bereitete, wiedersprach das doch dem antiken Bildungsideal des permanenten Forschens und Hinterfragens. Die Abneigung galt natürlich auch andersherum, und so war es nur eine Frage der Zeit, bis die neue Akademie 529 von Kaiser Justinian I. ein zweites mal aufgelöst wurde. Damit war die Akademie am historischen Standort Athen endgültig erledigt, aber die akademische Idee und das für sie stehende Bildungsideal hatte längst seinen Siegeszug angetreten, auch wenn es ein paar Jahrhunderte lang zunächst nicht danach aussah.
3. Die Akademie Karls des Großen
Die mittelalterliche Welt mit ihrer agrarisch geprägten Wirtschaft und einer geringeren Arbeitsteilung verfügte nicht mehr über die Kapazität, die klassische Bildung zu bewahren. Der größte Teil der antiken Literatur ging im Westen nach etwa 600 verloren. Die Völkerwanderung trieb Barbarenstämme durch die antiken Bibliotheken, denen nicht der Sinn nach Bildung stand. Der Biograph Karls des Großen, Fischer-Fabian beschreibt die Situation zu Beginn des Frühmitelalters so: „Die Musen schwiegen. Verwahrlosung, Verfall, Verwilderung, Schriftfeindlichkeit und Unbildung allerorten. Priester kannten die Bedeutung der liturgischen Worte nicht; die meisten Untertanen waren Analphabeten; selbst die Adligen konnten nicht lesen und schreiben. Die Kultur des Altertums war praktisch zugrunde gegangen“. Da musste erst ein Analphabet das tiefe Tal der Selbsterkenntnis durchschreiten. Sein Name: Karl, Karl der Große genannt. Anders als Platon hatte Karl nicht die geringste Schulbildung genossen. Auf den Schlachtfeldern mochte dieser Umstand wohl auch nicht sonderlich hinderlich gewesen sein, als Karl aber zunehmend in die politischen Ränkespiele zwischen dem Papst und dem byzantinischen Kaiser hineingeriet, merkte auch er, daß ohne Kultur, Wissen und Bildung kein Staat zu machen ist. Wir erinnern uns an den jungen Platon – ähnliche Erfahrung, dieselbe Erkenntnis. Karl war der erste mittelalterliche König (und seit 800 auch römischer Kaiser), der die Bedeutung der Bildung (an)erkannte und für die Weiterentwicklung seines Reiches zu nutzen wusste. Seine administrative Stärke setzte er dafür ein, Bildung im gesamten Frankenreich durchzusetzen, und zwar per Dekret, wie mit der Admonitio Generalis von 789. Für die eigene Bildung griff er auf die Idee Platons zurück, im Kreise von Schülern und Gelehrten Problemstellungen zu diskutieren und holte sich zu diesem Zweck Gelehrte aus allen Ecken Europas an seinen Hof nach Aachen: dazu gehörten der Angelsachse Alkuin, der Langobarde Paulus Diakonus, der Gote Theodulf und der Mainfranke Einhard. Die Karolingische Akademie war geboren. In Anlehnung an ihre Ideale verliehen sich die Aachener Akademiker hebräische, griechische oder lateinische Spitznamen, in denen sie sich anredeten: So wurden aus Karl David, aus Alkuin Flaccus, aus Angilbert Homerus, aus Einhard Bezaleel, aus Hildibold Aaron, aus Theodulf Pindar und aus Paulinus wurde Thimotheus. Anders als Justinian I. betrachtete Karl der Große den wissenschaftlichen Diskurs aber nicht als kirchenfeindlich, sondern der tiefgläubige Frankenkaiser instrumentalisierte sogar die Instituitionen des Benediktinerordens für die Zwecke seiner Bildungsoffensive. Auf diese Weise wurden die Klöster zu wichtigen Bewahrern der antiken Bildungskultur. In einem seiner Briefe an die Bischöfe schrieb Karl: „Wenn es auch besser ist, das Gute zu tun, als zu wissen, was gut ist, so geht doch das Wissen dem Tun voraus“. Jedoch unterlag der Begriff der Akademie zu jener Zeit einem Bedeutungswandel, und kann programmatisch nicht mehr mit der Idee Platons gerecht werden, wie das noch bei den Neuplatonikern unter Plutarch der Fall gewesen ist. Genaugenommen gab es sogar zwei Akademien in Franken: Neben der weltlichen Akademie Karls des Großen in Aachen gab es die theologische Akademie Alkuins in Tours, die unter anderem den Gelehrten Hrabanus Maurus hervorgebracht hat. Hrabanus Maurus gilt als der Begründer der Deutschen humanistischen Bildung rechts des Rheins. Trotz dieser beachtlichen Langzeiterfolge starb die Akademie Karls des Großen zusammen mit ihrem Erfinder und Förderer im Jahre 814 und die Dämmerung des Mittelalters brach wieder über Europa herein.
4. Die Academia Romana
Die Renaissance brachte eine Wiedergeburt der Antike samt Bildungsideal und Geisteshaltung, dem Humanismus, zunächst in Italien ab Mitte des 14. Jahrunderts hervor, im restlichen Europa ab Beginn des 16. Jahrhunderts. Francesco Petrarcas Gedichtzyklus Canzoniere ist ein im Stile seines Vorbildes Cicero abgefasster lateinischer Dialog und gilt als der Beginn der Renaissance, der „Wiedergeburt“ des klassischen Altertums. Dieses Zeitalter war vor allem durch ausgiebige Beschäftigung mit antiken Schriftstellern geprägt und durch den Glauben an den Wert humanistischer Bildung. Das Studium der Sprachen, der Literatur, der Geschichte und Philosophie erlebte nun wieder einen Auftrieb, und zwar vor allem außerhalb eines religiösen Zusammenhangs, womit die Renaissance im Gegensatz zur Zeit Karls des Großen wieder den ursprünglichen platonischen Akademiegedanken wiederaufgriff. Lediglich die Verwendung von griechischen oder lateinischen Pseudonymen hatte man aus der karolingischen Akademie tradiert. Sämtliche Schriften Platons wurden in dieser Zeit ins Lateinische übersetzt. Es kam in ganz Italien zu einer Blüte von Wissenschaft und Kunst, die zu einer Gründung von hunderten von Akademien führte, die oft aber nicht lange Bestand hatten. Beispiele dafür sind die Neue und die Florentiner Akademie, in denen humanistische Gruppen Gesprächskreise unterhielten. Zu einem hohen Bekantheitsgrad gelangte die 1464 gegründete Academia Romana (auch italienisch: Accademia Romana geschrieben) unter der Leitung von Julius Pomponius Laetus, dessen Konzept auf einer umfassenden historisch-philologischen Altertumswissenschaft beruhte, die das textkritische Studium der antiken Quellen mit dem der archäologischen Stätten und Funde verband. Wie schon die Neuplatonikern unter Justinian I., bekamen die Akademiker unter Pomponius Ärger mit der Kirche. Papst Paul II. ließ 1468 die Akademie auflösen und die führenden Akademiker verhaften. Erst unter dessen Nachfolger, Sixtus IV. konnten die Akademiker ab 1471 ihre Arbeit fortsetzen. 1527 kam das endgültige Aus, als Rom von deutschen Landsknechten und spanischen Söldnern vollständig geplündert wurde.
5. Die preußische Akademie der Wissenschaften
Im Zeitalter der Aufklärung kehrte man bei den Geisteswissenschaften erneut zu den alten Quellen zurück, um diese nun kritisch zu untersuchen. Der Akademiegedanke wurde in Europa zu einem wichtigen Bestandteil des geistig-kulturellen Entwicklungsprozesses. Bereits im 17. Jahrhundert waren in Frankreich und England Akademien gegründet wurden, die sich jeweils der Sprache und Literatur oder den Naturwissenschaften verschrieben hatten, in Deutschland tobte jedoch der Dreißigjährige Krieg, der solcherart Bestrebungen hinauszögerte, wie überhaupt Kriege sich nie als besonders förderlich für die Wissenschaft erwiesen haben. 1652 wurde eine erste Gelehrtengesellschaft in Deutschland gegründet, die jedoch auf naturwissenschaftlich-medizinische Forschung beschränkt war. Zwischen 1697 bis 1700 genoß man in Brandenburg eine kurze Friedensperiode, für jene Zeit ungewöhnlich lang und selten. Da erkannte der preußische Gelehrte Gottfried Wilhelm Leibnitz die Gunst der Stunde, indem er sich einen langgehegten Traum verwirklichte und 1700 in Berlin die Akademie der Wissenschaften unter Kurfürst Friedrich III. gründete. Ausschlaggebend wird wohl aber eher Leibnitz’ gute Beziehung zur dessen Ehefrau, der hochgebildeten Sophie Charlotte gewesen sein. Die drei Forschungsfelder der Akademie waren ganz auf den Friedrich III zugeschnitten, der ein Jahr später unter dem Namen Friedrich I. zum König in Preußen gekrönt wurde: 1. Die Pflege der Deutschen Sprache, 2. Geschichte Preußens und 3. „Zivilisatorisch-missionarische Aufgaben“. Damit begann nicht nur der Aufstieg Preußens, sondern ganz Deutschland erreichte nach den Kriegswirren nun wieder Anschluß an die geistes- und kulturgeschichtliche Entwicklung Europas. Im Gegensatz zu allen anderen älteren hier vorher beschriebenen Akademien besteht die von Leibnitz gegründete Akademie bis heute fort. So heißt es in dem 1990 zwischen den beiden Bundesländern Berlin und Brandenburg ausgehandelten Staatsvertrag: „Die im Jahre 1700 als Kurfürstlich-Brandenburgische Sozietät gegründete Akademie der Wissenschaften wird neu konstituiert und als gemeinsame Einrichtung der Länder Berlin und Brandenburg errichtet“.
6. Die modernen Akademien der Wissenschaften
Seit dem 18. Jahrhundert hatte sich die Akademiebewegung rasch in Deutschland entfaltet. Man wollte wieder die Welt „begreifen“ und nicht mehr ausschließlich glauben und hinnehmen. Die heutigen „Akademien der Wissenschaften“ stehen als gelehrte Gesellschaften für wissenschaftliche oder künstlerische Forschungen damit ganz im Zeichen der humanistischen Bildungstradition: Überregionalität, Interkonfessionalität und die Überwindung sozialer Schranken gehören zu ihren Leitprinzipien. Die Abgrenzung zur Universität erfolgt durch die Lehre, denn die Akademie der Wissenschaften widmet sich der reinen Forschung, während Universitäten auch lehrend tätig sind. Diese typischerweise staatlich unterhaltenen Selbstverwaltungskörperschaften sind in zwei bis drei Klassen unterteilt, meist eine philosophisch-historische Klasse, eine mathematisch-naturwissenschaftliche und manchmal eine Klasse für Kunst und Literatur. Die enge Fachbegrenzung ist heute aufgehoben, so daß fast alle Disziplinen vertreten sind, die ihre wissenschaftlichen Ergebnisse in interdisziplinären Dialogen austauschen. Die Arbeitsgebiete der Akademie der Wissenschaften sind meist langwierige wissenschaftliche Untersuchungen wie die Herausgabe von Wörterbüchern oder die Betreuung von Sammelpublikationen wie die der Monumenta Germaniae Historica – die Bibel aller Historiker.
Folgende sieben Akademien sind heute in Deutschland aktiv:
- Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin, seit 1700
- Akademie der Wissenschaften, Göttingen, seit 1751
- Bayerische Akademie der Wissenschaften, München, seit 1759
- Sächsische Akademie der Wissenschaften, Leipzig, seit 1846
- Heidelberger Akademie der Wissenschaften, seit 1909
- Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, seit 1949
- Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften, Düsseldorf, seit 1970
Diese sieben Akademien sind unter dem Dach der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften mit Sitz in Berlin vereint.
Pressetext 06.09.2006
von Matthias Wühle*